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Von
Christian Löer
Ausgabe vom
Samstag, 04.05.2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

am Montagnachmittag erreichte mich ein Interview des FC-Präsidenten Werner Wolf, das er mit der FC-Homepage und damit ja auch ein wenig mit sich selbst geführt hatte. Und so las es sich dann auch. Ich finde es grundsätzlich schwierig, ein Interview über seinen eigenen Verantwortungsbereich in einem Medium zu veröffentlichen, über das man die vollständige Kontrolle hat. Er gebe „einen Einblick in die aktuelle Arbeit des Vorstands. Seine Botschaft: Der Kurs ist klar und wird auch in schwierigen Zeiten gehalten“, beschrieb der 1. FC Köln diese Simulation einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der Lage im Geißbockheim im Frühjahr 2024.

 

Der Präsident gebe auch einen „Ausblick auf die kommenden Wochen“, hieß es im Vorspann, was ja recht viel versprochen war. Denn wie sich die kommenden Wochen beim 1. FC Köln so gestalten werden, entzieht sich wohl der Kenntnis aller. Ich habe zwar eine gewisse Vorstellung und sehe das eine oder andere denkbare Szenario. Dennoch würde ich es heute nicht wagen, Ihnen hier einen Ausblick zu versprechen, der über diesen Samstag, 18.30 Uhr, hinausgeht. Aber klar, ich bin hier auch nicht der Präsident. 

FLAGGE ZEIGEN IN SCHWERER SEE 

Was folgte, war ein bisschen von allem: Die sportliche Situation sei schwierig, klar, man sei aber zuversichtlich. Selbstverständlich bedanke man sich bei den Fans für die „unfassbare Unterstützung“ der letzten Wochen, was ja eigentlich nur jemand sagen kann, der gegen Darmstadt schon zur Halbzeitpause nicht mehr im Stadion war. Man werde „Kurs halten“, auch „bei Gegenwind“, und ich muss sagen: Wenn einem in der Krise wirklich gar nichts mehr einfällt, sind Seefahrtmetaphern gar keine so schlechte Wahl. Da hat gleich jeder die richtigen Bilder im Kopf. Leider kam nichts mehr vom Kapitän auf der Brücke oder so, das hätte man noch ausbauen können. Oder was mit Maschinenraum. Aber immerhin wurde später im Text noch versprochen, man werde weiter „Flagge zeigen“.

 

Es gab auch zahlreiche Ausrufezeichen, sogar bei den Fragen. An einer Stelle scheint der Interviewende gar emotional angefasst: „Wie kann das sein? Zuletzt wurden in der Öffentlichkeit Untergangsszenarien bei einem Abstieg skizziert!“, ruft der Frager aus, beinahe erschüttert ob dieser Boshaftigkeiten. Doch Wolf ordnet ein: „Das ist Populismus“, sagt er fest, und beim Lesen dachte ich: Gut, dass uns jemand, der ein derartiges Interview veröffentlichen lässt, für die Gefahren des Populismus sensibilisiert.

Werner Wolf, dahinter Philipp Türoff, der FC-Geschäftsführer, der einst Potocniks Vertrag unterschrieb. 
DIE FEHLER DER ANDEREN 

Man räumte allerdings auch tapfer Fehler ein, und da wurde es kurios. „Wir haben Fehler gemacht – auf und neben dem Platz“, hieß es da. Nun – „auf dem Platz“, das konnten ja nur die Spieler sein, was ein bisschen gemein war, schließlich hatten die sich in Mainz sehr bemüht und müssen ja am Samstag gegen Freiburg schon wieder vor 50.000 Zuschauern auf den Platz, was nicht einfach ist, wenn es mal wieder um nicht weniger als alles geht.

 

Das „Neben dem Platz“ klang nach einem Moment zum Nachhaken. Und es wurde nachgehakt, knallhart: „Können Sie da konkreter werden und die Fehler klar benennen?“, hieß es da lauernd, und man malte sich beim Lesen schon aus, wie Werner Wolf angesichts dieser Frechheit den Tisch umwirft, dass die Kuchenteller klirren. Doch von Wegen! „Natürlich“, bejaht der Boss, Christian Keller habe seine Fehler ja zugegeben: Die Abgänge der Leistungsträger Skhiri und Hector habe der nicht kompensieren können, insgesamt sei der Kader nicht breit genug aufgestellt gewesen, um „Krankheiten und Formtiefs von Leistungsträgern kompensieren zu können“. Die Transfersperre habe das dann alles noch verstärkt. Stimmt, die Transfersperre. Da war ja was.

 

Für mich blieb allerdings vor allem hängen, dass aus dem „Wir“ sehr schnell ein „Christian Keller“ geworden war. Aber so unangenehm auch wirken mochte, dass da jemand so mutig die Fehler anderer Leute einräumte, so überraschend war der Schluss daraus: Man werde als Vorstand nicht nachgeben und nicht nur alle drei Geschäftsführer über die Saison hinaus behalten. Sondern auch selbst weitermachen, ganz klar.

Timo Schultz darf weiter auf den Klassenerhalt hoffen. 
Ich glaube, das Thema ist für euch größer als für uns.
Timo Schultz,
Trainer
1. FC Köln 

Ha, sagen Sie jetzt, der Löer ist natürlich vor allem angefasst, dass er das Interview mit Werner Wolf nicht selbst hatte! Würde ich jederzeit zugeben. Allerdings hatte ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, nach dem 1:1 in Mainz um ein Interview mit dem Präsidenten zu bitten. 

 

Hätte ich am Montagmorgen (oder gar noch am Sonntagabend auf der Rückfahrt aus Mainz) versucht, ein Interview mit dem Präsidenten auszumachen, um dieses dann am Montagnachmittag um 15 Uhr geführt, abgetippt, geglättet und durch alle Gremien gegengelesen und freigegeben veröffentlichen zu wollen – die Medienabteilung des 1. FC Köln hätte mich aus gutem Grund für komplett verrückt erklärt.

In dieser Saisonphase? Nach einem Spiel, das den Abstieg zwar noch einmal wahrscheinlicher gemacht, aber eben längst nicht besiegelt hat? Da komme ich auf die Idee, der Präsident könnte doch mal mit mir öffentlich über alles reden? Die jüngsten Schlagzeilen einordnen? Fehler zuweisen? Einen Ausblick geben und womöglich sowas sagen wie man werde trotz Gegenwinds auf Kurs bleiben und alle Mann an Bord behalten? Einfach so? Ich will nichts garantieren: Aber auf solche eine Idee komme noch nicht mal ich.

ALLEINGANG, DER FÜR ÄRGER SORGT
Jörg Jakobs war Übergangs-Sportchef und empfahl Potocniks Verpflichtung, Nachfolger Christian Keller ließ anschließend die Gelegenheiten zu einer außergerichtlichen Einigung verstreichen. 

Zumal offenbar tatsächlich der Mitgliederrat übergangen wurde mit Zeitpunkt und Inhalt der Veröffentlichung. Und wenn es etwas gibt, das dieses Gremium nicht von der FC-Homepage erfahren möchte, dann womöglich, dass man beschlossen hat, dass alle weitermachen wie bisher. Immerhin: Die angekündigte Aufarbeitung zur Transfersperre ist mittlerweile offenbar so weit abgeschlossen, dass man derartige Personalien rausgeben kann. Rund um die Trennung von Jörg Jakobs im Februar hatte es noch geheißen, „die genauen Umstände (…) werden gegenwärtig aufgearbeitet. Die Ergebnisse sollen in wenigen Wochen vorgestellt werden“. Was nach zwei Gerichtsverhandlungen, in denen nach meinem Verständnis viel dafür getan worden war, den Sachverhalt aufzuklären, schon relativ überraschend kam. 

 

Auf jeden Fall war es interessant, erstmal jemanden zu feuern, während die Aufarbeitung noch ein paar Wochen läuft, dachte ich damals. Zweieinhalb Monate später sagte nun der Präsident, dass alle anderen weitermachen. Ohne die Aufarbeitung öffentlich gemacht zu haben, auf deren Grundlage das wohl entschieden wurde.

 

Dazu nur das: Ja, es hat unseres Wissens nach eine Aufarbeitung gegeben, wie üblich in Form eines Gutachtens, in Auftrag gegeben bei einer der besten Kanzleien überhaupt. Auch darum bin ich sehr gespannt darauf, ob dieses Gutachten es wirklich hergibt, dass man mit allen Geschäftsführern weitermachen kann. Und wie die Argumentation aussieht. Aber werden wir ja bald sehen. 

Dann könnte auch der Mitgliederrat eine Rolle spielen. Der trifft sich jeweils am ersten Montag jedes Monats, was sich am 6. Mai ganz gut trifft nach dem Spiel gegen Freiburg, dem Interview des Präsidenten und der jetzt offenbar abgeschlossenen Aufarbeitung. Ich will niemandem reinreden. Aber wäre ich Mitglied des Gremiums – ich würde Werner Wolf wohl ganz herzlich zur Sitzung einladen.

Denn ein Interview auf der FC-Homepage ist am Nachmittag nach einem dramatischen 1:1 in Mainz zwar absolut zu viel. Aber insgesamt doch viel zu wenig.

Ihr Christian Löer
Zum Autor:  Christian Löer (48) ist Leiter der Sportredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und berichtet seit der Saison 1999/2000 über den 1. FC Köln. 

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Dann schreiben Sie mir gern eine E-Mail an

christian.loeer@kstamedien.de

 
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